Der Rolex-Kredit

Posted on Oktober 7th, 2012


Londons Pfandleiher buhlen um neue Kunden: Klamme Banker können dort ihre teuren Uhren und Sportwagen schnell zu Ged machen

London – Der richrige Standort ist Gold wert: Die britische Pfandhauskette Suttons & Robertsons hat vor kurzem eine neue Filiale in der Londoner Fleet Street eröffnet – gegenüber der Europazentrale der Investmentbank Goldman Sachs. Banker, die schnell Bargeld brauchen, haben jetzt einen kurzen Weg. Sie können in der Mittagspause ihre Rolex oder ihre goldenen Manschettenknöpfe zu Suttons & Robertsons bringen und dann vielleicht schon mit einem Bündel Geldscheine zurück ins Büro gehen.
Nun lässt sich natürlich darüber sprechen, ob die klammen Banker aus der Londoner City in diesem Jahr zu geringe Bonuszahlungen kassiert haben, oder ob ihr Lebensstil einfach zu ausschweifend ist, sodass es am nötigen Kleingeld mangelt. Pfandleiher können jedenfalls helfen. Suttons & Robertsons wirbt damit, 10.000 Pfund (etwa 13.500 Euro) binnen 24 Stunden besorgen zu können. Die Höchstsumme beträgt sogar eine Million Pfund. Alles diskret und ohne weitere Prüfung der Bonität. Nur die Rolex Day-tona oder die Patek Philippe Perpetual Calendar, die der Kunde als Pfand einreicht, muss garantiert echt sein. Für noch höhere Beträge darf es auch ein Super-Sportwagen wie der Lamborgini Murcielago sein, der als Pfand je nach Zustand und Baujahr locker 50.000 Pfund einbringt.
Üblicherweise beläuft sich die Beleihungsgrenze auf 25 bis 50 Prozent des Zeitwerts eines eingereichten Pfands. „Wir sehen steigende Nachfragen von wohlhabenden Kunden. Das ist auch der Grund, weshalb Pfandleiher neue Filialen eröffnen“, erklärt kürzlich Suttons & Robertsons-Manager Jim Tannahill in einem Interview.
Das Londoner Pfandhaus gehört zu den ältesten im Land. Es wurde 1770 gegründet und hat in der damaligen Zeit schon Lords und Ladys dabei geholfen, kleinere Engpässe in der Geldbörse durchzustehen. Manchmal ging es nur darum, dass der Adel ein Goldgeschmeide, aus dem Familienerbe schnell übers Wochenende zum Pfandleiher brachte, um damit eine ausschweifende Party zu finanzieren.
Nach Branchenschätzungen hat sich die Zahl der wohlhabenden Kunden, die einen Pfandleiher aufsuchen, seit 2008 fast verdoppelt. Hintergrund ist die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise, die auch in der sozialen Premiumklasse der Gesellschaft ihre Spuren hinterlassen hat. Zuweilen geht es um eine ausstehende Miete für Luxus-Apartment oder auch darum, die horrenden Privatschulgebühren für den Nachwuchs zu zahlen. Das Pfandhaus gilt als Helfer in der Not. Eine Rolle spielt in Großbritannien aber auch, dass die Banken seit der Finanzkrise ihre Kreditkonditionen vor allem für kleine Gewerbetreibende erheblich verschärft haben. Kein Zufall, dass Pfandleiher auch als Kreditgeber einspringen und kurzfristig für Liquidität sorgen. Die Zinsen sind allerdings happig – sie betragen üblicherweise zwischen zwei und neun Prozent pro Monat. Ein Vorteil ist dagegen, dass die Pfandhäuser rasch und unbürokratisch Bargeld an ihre Kunden auszahlen.
Das Online-Pfandhaus Borro verzeichnet eine Verdoppelung der ausgereichten Darlehen in Höhe von mindestens 20.000 Pfund. Das 2008 gegründete Unternehmen zahlte erst kürzlich sogar seinen ersten Kredit über eine Million Pfund aus.
Wie es heißt, habe es sich um einen Geschäftsmann gehandelt, der dringend Kapital für eine Investition brauchte. Dazu versetzte er ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Wert: fünf Millionen Pfund. Die britischen Pfandhäuser profitieren von der schweren Wirtschaftskrise. Das Geschäft boomt. Experten rechnen damit, dass die Zahl der Pfandhäuser von derzeit 1.200 in den nächsten Jahren auf mindestend 3.000 klettern wird. Dabei wird allerdings der typische Pfandleiher, der ein einziges Geschäft betreibt, mehr an die Seite gedrängt. Stattdessen beherrschen große Filialisten den Markt. Zu den Platzhirschen gehört die Kette Albemarle & Bond mit 186 Filialen. Das börsennotierte Unternehmen verbuchte im vergangenen Geschäftsjahr einen Anstieg seiner Ausleihungen um fast 24 Prozent. Albemarle & Bond hat sich unter anderem auf die Annahme von Gold spezialisiert. Ein Geschäft, das aufgrund des hohen Rohstoffpreises für Pfandhäuser und Kunden gleichermaßen lukrativ ist.
Die Pfandhäuser sind bemüht, ihr landläufiges Schmuddelimage abzulegen. Man wolle mit Kriminellen, die ihr Diebesgut zu Geld machen, nichts zu tun haben, heißt es in der Branche. „Unsere Läden sind hell und sauber. Wir bieten einen vertrauensvollen Service“, erklärt etwa Peter Kenyon, Chef des Pfandhauses Ramsden.
Tatsache ist jedoch, dass trotz des Buhlens um wohlhabende Kunden ein Großteil des Umsatzes immer noch mit ärmeren Bevölkerungsschichten gemacht wird. Es sind häufig verzweifelte Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, die ihre Uhr oder einen Flachbildfernseher zum Pfandleiher bringen, um so über die Runden zu kommen.